A139 Frühjahr 2025 : Internationale Kunst

64 Internationale Kunst 391 HARTUNG, KARL (HAMBURG 1908 – 1967 BERLIN) «UNHEIMLICHER KOPF I». Bronze, schwarz patiniert, Künstlersignet am unteren Rand des Halses, dreiteiliger Nachlass-Stpl. auf der Standfläche, H: 39 cm CHF 30000.– / EUR 33000.– Provenienz: Nachlass Karl Hartung; Galerie Henze-Ketterer, Wichtrach, dort erworben 1997; Privatbesitz, Schweiz. Vgl. Literatur: Markus Krause, Karl Hartung 1908-1967. Metamorphosen von Mensch und Natur. Monographie und Werkverzeichnis, München 1998, Nr. 311 (ganzseitige Abbildung auf S. 46). Den Entwurf zu «Unheimlicher Kopf I» schuf Karl Hartung 1946. Beim vorliegenden Exemplar handelt sich um einen autorisierten Guss aus dem Nachlass des Künstlers (Gesamtauflage 6 Exemplare + 1 artist proof). Das Gipsmodell befindet sich im Besitz des Nachlasses des Künstlers. Der künstlerische Werdegang des Tischlersohnes Karl Hartung begann mit einer Ausbildung zum Holzbildhauer bei Carl Briese, gefolgt ab 1925 von einem Studium unter Johann Michael Bosshard an der Kunstgewerbeschule seiner Geburtsstadt. Ein Stipendium ermöglichte ihm 1929 einen Aufenthalt in Paris, wo er sich intensiv mit der zeitgenössischen französischen Plastik und der Anthroposophie auseinandersetzte. Nach ersten Ausstellungserfolgen liess er sich 1935 mit seiner Frau, der Malerin Ilse Quast, in Berlin nieder. Dort arbeitete er unter erschwerten Bedingungen, da seine Werke aufgrund ihrer abstrakten Formensprache als «entartet» galten. Der künstlerische Durchbruch gelang dem Bildhauer erst nach Kriegsende im Zuge seiner ersten grösseren Einzelausstellung 1946 in Berlin. 1950 berief ihn Karl Hofer als Dozent für Bildhauerei an die Hoch- schule für Bildende Künste in Berlin. In dieser Zeit erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Kunstpreis der Stadt Berlin (1950) und den Grossen Kunstpreis des Landes Nordrhein-Westfalen (1961). Zudem war er mehrfach auf der documenta vertreten und 1955-1967 Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes. Karl Hartung gilt als einer der frühesten abstrakten deutschen Bildhauer mit massgeblicher Einflussnahme auf die Nachkriegskunst. Sein künstlerisches und pädagogisches Wirken prägte Generationen von Kunstschaffenden und machte ihn zu einem zentralen Wegbereiter der modernen Plastik. Neben Skulpturen hinterliess der Deutsche auch ein umfangreiches zeichnerisches Werk. «In Hartungs Oeuvre findet sich noch eine weitere Variante dieser Plastik mit dem gleichen Titel, Unheimlicher Kopf II (WVZ Nr. 533) der seiner Vorgängerversion in Kontur und Formgebung gleicht, bei der allerdings die glatte Patina zu einer komplett veränderten, durchfurchten Struktur hin aufgerissen worden ist. Diese Version der Arbeit ist später, im Jahr 1954, entstanden und steht prototypisch für das Spätwerk, in dem Hartung die ihm bedeutendsten Plastiken zum Teil noch einmal erschaffen hat, aber die Oberfläche rauer, wie von Verletzungen und Narben verwundet, ganz andersartig gestaltet hat und wodurch die Veränderungen im Inneren, u.a. durch Kriegserlebnisse, nun auch im Äusseren sichtbar gemacht wurden. Hier haben also die inneren Veränderungen des Künstlers zu, für den Betrachter ganz deutlich erkennbaren, äusseren Veränderungen in seiner Kunst geführt. Die vorliegende, glatte Version dieses Werks besticht durch den scharfen Kontrast seiner weichen Formen und dem markan- ten Profil. Besonders auffällig ist hier die Betonung einer Negativform - der Leerstelle, die das Auge bildet und den Kopf auf seine wesentlichsten Merkmale reduziert, ein auf die Spitze getriebener Höhepunkt der Abstraktion eines menschlichen Kopfes». (Anna Hartung) Wir danken Anna Hartung, Nachlass Karl Hartung, für die freundliche wissenschaftliche Unterstützung. Nachlassstempel.

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