A139 Frühjahr 2025 : Schweizer Kunst

58 Schweizer Kunst 98 BIÉLER, ERNEST (ROLLE 1863 – 1948 LAUSANNE) SAVIÈSANNES AUX ÉPIS DE MAÏS. Tempera auf Hpl., sig. u. dat. 1941 u.l., 64,5 x 131,5 cm CHF 260000.–* / EUR 280000.–* Provenienz: Privatbesitz, Schweiz. Nach dem Besuch des Collège Classique in Lausanne begab sich Ernest Biéler als 17-Jähriger auf Empfehlung des Malers François Bocion zum Kunststudium nach Paris, wo er Félix Vallotton und andere Schweizer Künstler kennen lernte. Er schrieb sich an der École des Beaux-Arts ein, besuchte das Atelier Suisse sowie die Akademien Julian und Colarossi, kopierte im Louvre die Alten Meister und zeichnete Strassenszenen. Mit kleinen Aufträgen, insbesondere für Porträts und Buchillustrationen, sicherte er sich den Lebensunterhalt. In jenen Jahren pendelte sein Werk zwischen dem Impressionismus und der eleganten Linienführung des Jugendstils. In seinen Ferien besuchte Biéler wiederholt die Schweiz und fand dort im Sommer 1884 das kleine Walliser Dorf Savièse mit seinen traditionsverbundenen Bewohnern. Fortan kehrte er regelmässig an diesen Ort zurück und liess sich dort 1889 endgültig nieder. Künstlerfreunde folgten, mit denen er eine kleine Künstlerkolonie, die «École de Savièse», gründete. In der Walliser Landschaft, ihren Bewohnern und ihrem Brauchtum fand Biéler jene Themen, die sein künftiges Werk bestimmen soll- ten. Besonderes Interesse hegte er für die farbenfrohen Walliser Frauentrachten, die er immer wieder in seinen Gemälden schilderte. Durch die Auseinandersetzung mit dem Jugendstil fand Biéler zu einer eigenen Bildsprache, die von klaren Konturen, eleganten Linien und voneinander abgesetzten Farbflächen bestimmt wird. Er bevorzugte die Temperamalerei und entwarf aufwendige Holzrahmen für seine Werke. Nach 1900 zog der Künstler mehrfach um. 1917 erwarb er ein altes Weingut in Montellier bei Rivaz. Das grosszügige Atelier, das er sich darin einrichtete, erlaubte ihm in den folgenden Jahren die Ausführung etlicher monumentaler Entwürfe für Kirchenfenster, Mosaiken und Wandmalereien. 1928 kehrte er mit seiner zweiten Frau nach Savièse zurück, wo man ihn 1934 zum Ehrenbürger ernannte. «Ab 1906 entwickelte Ernest Biéler für seine ländlichen und idealisierenden Walliser Werke einen linearen Stil, welche der matten Wirkung von Aquarell, Gouache und Tempera den Vorzug gab. Somit stellte er seine regionalistische Produktion, sein Interesse für die Volkskunst und das Leben der Leute in Verbindung mit dem Jugendstil, einer kosmopolitischen, raffinierten, städtischen Bewegung. (...) Als Stadtmensch idealisierte Biéler das Leben der Bauern. Er vermittelt dadurch eine Botschaft mit universalem Anspruch: Eine Gesellschaft, die sich noch im natürlichen Urzustand befindet und daher ewige Werte aufrecht erhält». (Aus: Pascal Ruedin, Die Schule von Savièse. Eine Künstlerkolonie in den Alpen um 1900, Sitten 2012, S. 170f.)

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